Spektrallinien

Das Buch zur Ausstellung Spiegelbilder, gezeigt in der Tübinger Kulturhalle vom 29.10 bis zum 27.11.2021.
Hintergrundinformationen zum Buch gibt es im Archiv.

Hast du je mit offenen Augen
in einen Stern geblickt?
Manch einer wird dich blenden
so wendest du dich ab
Nur um im eigenen Schatten stehend
die Linie zu sehen
die euch von Anfang an verband

Zwei Wege trennten sich einst
in einem gelben Wald
Und ich sah sie beide entlang
wie sie sich ungewiss verloren
In meinen Augen waren sie gleich

Also schloss ich den Verstand
und ging blind voran
Ich ließ den Zufall mich führen
doch dann…

Zwei Wege trennen sich vor mir
in einem gelben Wald
Und der eine scheint mir oft begangen
Als ob ein jeder den anderen aufspart
für einen neuen Tag
an dem sie beide wieder gleich erscheinen

Manche Gedanken fallen wie Steine
Sie ziehen kleine und große Kreise
Und solange niemand sie stört
werden sie Kreise bleiben
Nimm diesen als Beispiel:

Mir wurde ein Platz in der Welt gegeben
Und die Fähigkeit mich zu bewegen
Ich weiß genau wohin ich gehe:
Der Nase nach immer geradeaus
Die Augen nach vorne
Den Rücken gebeugt

Und wenn ich mich weit genug biege
wird der Kreis sich schließen

Wie hingegossen, wunderbar
Dieser Schmerz und die Tragik
das verherrlichte Leid
einer weiteren Toten

So wird der Dolch dann Wurzeln schlagen
in ihrem Herzen
und Blüten treiben
für die Schaulustigen
die erschauern vor Mitgefühl
Wie sie stehen und zelebrieren,
dass sie sehen ohne zu spüren

Da sitzt er nun und sucht Frieden
Er tut das schon sehr lange Zeit
Denn er war des Puppenspiels müde
und hielt einen Augenblick still

Da hat ihn das Leben verloren
doch die Trommeln vergessen ihn nicht
und die Zahnräder knirschen selbst nachts

Wir sind beide so gern kompliziert
damit sich die Ängste in uns verirren
Und es gibt Tage da will ich dich brechen
denn ich glaube, ich bin auf der Suche
nach etwas in dir
Und wie ich dich drehe und wende
es zeigt sich mir nicht

Warum klammern wir so an Gesichter?
Es muss doch mehr sein
das uns unterscheidet

Deshalb will ich dich manchmal zerbrechen
um die Teile zu sehen
in die ein Mensch zerfällt
Ja, ich wünschte du hättest den Mut
mich ganz zu zerteilen
damit die Angst endlich frei wird

Würdest du mich noch erkennen?

Sei still
Denn ich habe mir nicht umsonst
ein Loch gegraben
als die Lichter kamen
mich blendeten und die Erde verbrannten
Und ich bin nicht ohne Grund
in diesem Loch geblieben

Seid still
Weil sonst die Lichter wiederkommen
um abzutöten was sie für wertlos hielten
und sich zu nehmen was ihnen gefällt
Bis von dem einst so reich Beschenkten
nichts bleibt als ein blasses Skelett

Eines Tages wirst du fortgehen
um vielversprechende Winde zu spüren
um fremde Orte zu sehen

Manches überwältigt dich
Erfahrung bildet Schalen
aus Neonlicht
und wenn du lang genug bleibst
verhärten sie sich

Doch vergiss nicht
wohin es dich auch immer zieht:
Die anderen sitzen daheim
und sie warten dort auf dich
warten auf das, was noch übrig ist
von deinem alten Gesicht

Du hattest dich so fest verwoben
dass du anfingst zu glauben
du könntest die Erde selbst
aus ihren trägen Kreisen reißen
Und daran bist du gewachsen
bis Wolken den Rückblick verbargen
Es war Zeit für den nächsten Schritt

Hat dir denn niemand gesagt
wie es nun weitergeht?
Dass in Wahrheit der Himmel sich dreht
während die Erde selbst stillsteht
Dass eines sich erhebt
während das andere fällt
Wie der Unterschied zwischen Nebel und Staub
Den einen möchtest du fangen
der andere liegt nur da

Die Suche nach dem Großen
in ihr reichst du tief
Denn hohe Berge kannst du besteigen
doch dort oben bist du allein
Wüsten kannst du durchwandern
doch auf der anderen Seite
bist du noch immer fremd

Du wirst ihn nur erreichen
wenn du erkennst, dass die Nebel zwar weichen
das Wasser aber auch nicht klar ist
sondern gefüllt mit dir

Du kannst den Fisch nicht fangen
von dem du nie geträumt

Ich wollte dir etwas erzählen
Doch ich konnte die Worte nicht fassen
Und während ich noch danach suchte
entglitten sie mir
und schwebten zu dir
So wurden sie nie gesprochen

Es ist so, wie der Wind weht
durch das offene Fenster
So saß ein Falter in meinem Zimmer
Saß da und schlug mit den Flügeln
Und auf dem Tisch
stand das Glas schon bereit
um ihn einzufangen

Er war gerade noch da
und wärmte sich in der Sonne
Doch er konnte ja nicht bleiben
Nun ist das Glas wieder leer
Beinahe

Es ist so, wie der Wind weht
hinein und hinaus
durch das offene Fenster
Es ist der Nachgeschmack eines Kusses
Der Geist der Erinnerung
an den Falter im Glas
Die Farbe von Sehnsucht
in den Gedanken

Hörst du?
Wie die Menschheit sich windet
auf der fremd gewordenen Erde
und ihre eigenen Spuren verwischt?

Hörst du?
Wie sie den Weg verlieren
und ihre Schreie sich mischen
zu einem betäubenden Rauschen?

Hörst du zu?
Warte nur eine Weile
dann klingt es bald nach Bestätigung
für das Nichts zwischen den Sternen
Bald zeichnet es Muster ins Chaos
und erklärt dir die Absicht im Zufall
Bald versteckt sich ein Sinn in dem Lärm

Suchst du danach?
Dann sei gewarnt:
Allzu oft ist die Antwort
nicht so wie du denkst

Am Anfang ist es
nicht mehr als eine Ahnung
Ein Flattern im Herzen
Und es fliegt nur ein kleines Stück
hin zum Licht

Doch dann wird es zornig
wird zum Zerren und Reißen
Zerbrechliche Form von Todesangst
bricht fast Seele und Verstand
in einem körperlichen Schmerz

Etwas naht aus den Tiefen
schlägt die heile Welt in Stücke
Denkst du vielleicht
das Wegsehen mache dich schön?
Durch diese Maske bist du nur
nach außen und innen blind!
Sie drückt dich tief zu Boden
Ein zorniges Flattern

Und dann bist du frei

Es war der Moment
um alles zu wenden
Die Luft stand still
Sie hing an meinen Lippen

Ich hatte nachgedacht
und viel gelesen
hatte lange studiert
um genau das zu erreichen

Doch da warst du, sag mir
Von all den Worten in meinem Geist
warum hast du mir dieses genommen?
Ich stand nur da und suchte

Und der Moment ging vorbei
und kam nicht wieder

In den Tagen, die da waren
waren wir sicher
dass wir das Richtige tun

Und in den Tagen, die dann kamen
waren wir oft darum bemüht
jenes Alte zu bewahren

Doch dann kam das Neue
nahm uns die Kontrolle
und mit ihm kamen die Zweifel

Es baute sich ein Zuhause auf
deformierten Säulen aus dem
was wir erkämpft hatten und pflegten

Und jene, die da heute bauen
in diesen neuen Tagen
sind sich so sicher
dass sie das Richtige tun

Doch von hier können wir sehen
wie schon die Sturmflut der wieder Nächsten
ihre Denkmäler überragt

Da war ein Gedanke
in meinem Kopf
Ich fragte nach dem
was der Spiegel nicht zeigt
Doch ich fragte nicht mich
Ich bin nur Verachtung und Wunschdenken

Da war ein Gedanke
Ich könnte dich fragen
Doch was du sagst ist verzerrt

Ich fühle mich gläsern
Doch was wenn das täuscht?
Ich wende mich um
und mein Augenlicht
vertreibt meinen Schatten
aus meinem Blick

Da war ein Gedanke
in meinem Kopf
Dass es leichter wäre
einen Geist
statt meines eigenen Wesens
zu fangen

Am letzten Tag eines weiteren Sommers
sah mein Gesicht in eine tiefe Sonne
und in der Luft lag eine unbekannte Schwere
Etwas Neues ohne Heiterkeit

Weitergehend, verfluchte ich den Winter
der die Schwere mit sich brachte
(wie ich da noch dachte)
und den Duft einer letzten Blume

Die hatte ihre Blätter weit hinausgestreckt
als wäre das Blühen ihr nicht genug
als warte sie auf den Wind
der ihr die Welt zeigen würde

Nur ein flüchtiger Gedanke

Denn wer kann schon wissen
ob eine Blume sich öffnet oder schließt?

In der Luft liegt etwas Neues
ohne Heiterkeit
das wäre noch und für immer verborgen
ohne den Winter, der es ans Licht getragen
und ich bin jetzt dankbar dafür

Denn ob die Sonne auf oder untergeht
das weiß nur der, der hinsieht und wartet
oder jede ihrer Farben kennt

Er trat hinein
in die flackernden Lichter
doch konnte sie kaum ertragen
Da reichte man ihm ein Lächeln
und er schlug es sich selbst ins Gesicht

Lang tanzte er unter den Lichtern
Dann brach ihn des Lächelns Gewicht
Man schlug ihn von hinten zu Boden
und er ertrug es nicht

Sie ging und erwachte
Der Boden war federnd
und brachte sie höher
mit jedem Schritt

Die Sonne war warm
doch das Mädchen brannte
Sie rannte, sie tanzte, sie stand
Sah hinauf und erschrak
vor dem eigenen Glanz

Er sagt, er hätte viel gelesen
und als er dachte, er wäre bereit
da sei er weit gereist
um fortan in der Welt zu lesen
und eines Tages zu verstehen

Und wie er so sitzt
und Geschichten erzählt
vom Gestern und Heute
und manche von Morgen
da ist es nur ein Hauch
der mich abhält ihm zu glauben
Ein hitziges Flimmern in seinen Augen
Heiße Luft über dem Lebensweg
könnte einen Palast verbergen
oder ein Wolkenschloss

Man sagt:
Um sie zu erfüllen
die Sehnsucht des Herzens
braucht es einen ganzen Ozean
oder ein klein wenig flüssiges Licht
Wie ein Zuhause
nur ohne den Ort
Wie die Frühlingssonne
nur mit ein klein wenig Wind

Und wusstest du außerdem
dass die Blume des Herzens
keine Wurzeln hat?
Du kannst sie gießen
dann wird sie wachsen
und Blüten treiben
auf beiden Seiten
und einen Ozean träumen
voll flüssigem Licht

Er hielt einen Augenblick inne
und sah, dass er blind war
Doch den Anblick toter Augen
den ertrug er nicht
und so verbarg er sein Gesicht
und löschte sein Augenlicht
wie eine Kerzenflamme mit Sand

Ein Moment der Klarheit

Kann eine Sonne Stein zerbrechen?
Ich denke sie kann es nicht
Härte, über lange Zeit gewachsen
vergeht nicht, zieht sich nur zurück

Doch Sonne kann den Stein erwärmen
und bald wächst Gras als weiches Bett
Für einen Augenblick
kann unser Stein dann atmen
Und falls er entschließt zu fliegen
fällt er nicht wieder zurück

Obwohl du nicht ahnst was ich sagen will
stecken deine Worte zwischen meinen Zähnen
Und auch wenn meine Zunge silbern ist
deine Worte sind es leider nicht

So hängt dein Blick umsonst an meinen Lippen
die steinig stotternd ihre Lieder singen
Während fernab meine Augen klammern
an das was ich dir zeigen wollte